Kreativitätstechniken im Überblick

1.     Kreativität in der Wertanalyse

Die Ausübung von Kreativität in der Produktentwicklung wird im Unternehmensalltag häufig mit der Durchführung von Brainstormingsitzungen gleichgesetzt. Grund hierfür ist nicht selten, dass dem Praktiker sowohl der Überblick über mögliche Kreativitätstechniken fehlt, als auch das Wissen darüber, bei welchen Problemstellungen die jeweiligen Kreativitätstechniken sinnvoll anwendbar sind, um optimale Ergebnisse zu erhalten. Aus diesem Grund werden im Folgenden, ausgehend von den zugrundeliegenden Denkweisen, die für die Wertanalyse wichtigsten Kreativitätstechniken kurz dargestellt. Die angegebene Literatur ist für eine Vertiefung der jeweiligen Technik geeignet. Anschließend werden die Kreativitätstechniken anhand ausgewählter Kriterien einander gegenübergestellt und somit wird die problemorientierte Auswahl der Kreativitätstechnik erleichtert.

1.1     Grundlagen zur Kreativität in der Wertanalyse

Das Nutzen vorhandener Quellen (Ideensammlung) und das Erfinden neuer Ideen (Ideengenerierung) stellen das Vorgehen der Ideengewinnung dar. Die Möglichkeiten werden in Abbildung 37 verdeutlicht [Vahs 2005].

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Abbildung 37: Ideengewinnung [Vahs 2005]

Die Ideensammlung schöpft aus bereits vorhandenen Lösungsansätzen, was die Ressourcen eines Unternehmens schont. Die Ideengenerierung hingegen nutzt die Kreativität und "erfindet“ Neues, häufig mit größerem Zukunftspotential. Mit beiden Methoden können neue, innovative Ideen gefunden werden. [Theile-Schürholz 2008]

Der Prozess der Ideengenerierung sowie die aktive Entstehung neuer Lösungsansätze werden durch die Anwendung von Kreativitätstechniken maßgeblich unterstützt. Ziel ist es dabei grundsätzlich, die Innovationsfähigkeit der Firma zu verbessern und zu sichern. [Gausemeier et al. 2001]

1.1.1     Definition der Kreativität

Der Begriff Kreativität wird mittlerweile sowohl auf Industrie und Wirtschaft als auch auf viele weitere Gebiete, in welchen es um menschliche Leistung geht, übertragen. Dennoch gibt es keine eindeutige Definition. [Schlicksupp 1998]

Kreativität kommt von „creare“. Dies stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „erschaffen“. Kreativität wird auch als schöpferisches Potential verstanden, welches den Menschen durch Sehen neuer Beziehungen, Zusammenführen bestehender Gedanken und kreatives Denken zu innovativen und neuen Ideen kommen lässt. [Mencke 2006]

1.1.2     Der Denkprozess

Edward De Bono fand heraus, dass in Standardsituationen die Hauptbahnen des Denkens benutzt werden (siehe Abbildung 38). In alltäglichen Situationen ist dieses lineare oder auch vertikale Denken notwendig. Bei der Suche nach neuen und alternativen Lösungsmöglichkeiten behindert uns diese Standarddenkweise jedoch, da sie immer nur zu den gleichen, bereits bekannten Lösungen führt [Novak 2001]. Es ist wichtig, die eingefahrenen Muster zu verlassen und durch kreatives Denken und veränderte Denkstrukturen den Ideenfluss anzuregen [Mencke 2006]. Dieses sogenannte laterale Denken führt zu innovativen Lösungsmöglichkeiten [Pepels 2006].

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Abbildung 38: Das laterale Denken [Gausemeier et al. 2001]

Jeder Mensch besitzt eine natürliche Kreativität, welche unterschiedlich stark genutzt wird. Durch äußere Einflüsse kann die Nutzung begünstigt, aber auch verhindert werden [Gausemeier et al. 2001]. Sogenannte Kreativitätshemmnisse, wie Angst, Blamage oder vorzeitige Bewertung, behindern oft die vollständige Entfaltung der eigenen Kreativität.

Mit Hilfe von Kreativitätstechniken ist es möglich, das Potential dieser unterdrückten Kreativität für innovative Lösungsmöglichkeiten zu nutzen.  [Vahs 2005]

1.1.3     Der kreative Prozess

Die Abfolge von Problemlösungsprozessen, welche schrittweise von einer Problemstellung zu einer neuartigen Lösungsidee führt, stellt den kreativen Prozess dar [Lindemann 2005]. Heute gibt es mittlerweile unterschiedliche Modelle, die abhängig von Autor und Ausführlichkeit, aus unterschiedlichen Phasen zusammengesetzt sind. Nachfolgend wird das 4-Phasenschema nach Schlicksupp betrachtet. Dieser unterteilt den kreativen Prozess in folgende Phasen.

  • Vorbereitung
  • Inkubation
  • Erleuchtung
  • Verifikation

Die Vorbereitungsphase dient zur Erkennung und der anschließenden systematischen Analyse des Problems. Hierbei werden alle Zusammenhänge des Problems transparent dargestellt. Auf diese Weise wird das nötige Wissen für die Lösung aufbereitet und angeeignet.

Die Inkubationsphase dient zur Verinnerlichung des Problems. Hierbei finden die Denkprozesse hauptsächlich im Unterbewussten statt. Indem der Ideensucher das vorliegende Problem unbewusst mit eigenen Erfahrungen versucht zu kombinieren, ist er in der Lage, neue Lösungsansätze zu entwickeln. Dies wird auch als „unterbewusste Problemverarbeitung“ bezeichnet, da die Entwicklung der Lösungsansätze auch dann stattfinden kann, wenn sich die jeweilige Person gar nicht direkt mit dem bestehenden Problem beschäftigt.

Die Erleuchtung oder Illumination dient zur Lieferung der Lösungsansätze des unbewussten Denkens. Indem der Ideensucher plötzliche „Geistesblitze“ hat, wird er sich der Idee bewusst und kann sie hervorbringen.

In der letzten Phase, der Verifikation, wird die Idee überprüft und analysiert. Hier wird überlegt, ob die Lösung die Anforderungen der Problemstellung erfüllen. [Schlicksupp 1998]

Im alltäglichen Leben läuft der kreative Prozess immer dann ab, wenn wir uns mit einem Problem beschäftigen. Da dieser Prozess nur sehr langsam abläuft, dauert die Lösungsfindung auf diese Weise relativ lange. Durch Kreativitätstechniken wird jeder einzelne Abschnitt dieses Prozesses beschleunigt und zusätzlich gefördert [Lindemann 2005]. Den Kreativitätstechniken liegt ein Grundschema des kreativen Prozesses zugrunde, das bei der Abarbeitung durchlaufen wird [Vahs 2005].

1.2     Kreativitätstechniken in der Wertanalyse

Um den Gedankenfluss anzuregen und Ideenfindung zu fördern werden Kreativitätstechniken genutzt. Diese beruhen auf Heuristiken. Das sind Strategien und Methoden, welche das Finden von Lösungen zu Problemen ermöglichen, indem sie diese von einer anderen Seite beleuchten [Schlicksupp 1998]. Ein Beispiel für heuristische Prinzipien, welche in Kreativitätstechniken angewendet werden, sind Variationen, Assoziationen, Kombinationen, oder das Bilden von Analogien [Geschka 2004].

Den Grundstein für Kreativitätstechniken hat Ende der 30er Jahre Alex Osborn mit dem Brainstorming gelegt. Mittlerweile sind über 100 unterschiedliche Methoden bekannt. [Albers et al. 2005]

Für die verschiedenen Kreativitätstechniken gibt es eine Fülle von Systematisierungsversuchen, in welchen die Methoden nach unterschiedlichen Kriterien in ein Schema eingeordnet werden. Nach Schlicksupp erfolgt diese Einordnung nach den heuristischen Prinzipien (siehe Abbildung 39). Hierbei wird unterschieden, ob die Heuristiken die Problemlösung selbst auf systematischem Weg fördern oder die Intuition und Kreativität anregen. [Schlicksupp 1998]

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Abbildung 39: Einteilung der Techniken nach Heuristiken [Schlicksupp 1998]

Viele Kreativitätstechniken können jedoch nicht eindeutig zugeordnet werden, da sie unterschiedliche Prinzipien miteinander kombinieren. Sie haben sowohl einen intuitiven als auch einen analytischen Charakter. Eine Einteilung in verschiedene Methodengruppen kann somit nur eingeschränkt vorgenommen werden. [Neumann 2003]

Im Folgenden werden die Kreativitätstechniken an einer Systematisierung nach Wack gegliedert [Wack 1998]. Diese richtet sich nach den folgenden Prinzipien.

  • Prinzip der freien Assoziation
  • Prinzip der Zufallsanregung und Reizworttechnik
  • Prinzip der systematischen Bedingungsvariation
  • Prinzip der Bildhaftigkeit und der Analogie

1.2.1     Prinzip der freien Assoziation

Das Prinzip der freien Assoziation basiert darauf, den Gedankenfluss nicht einzuschränken. Nach genauer Definition des Problems werden durch freie Assoziationen Aspekte gesucht, die in irgendeiner Weise mit dem Problem in Verbindung stehen. Es handelt sich hierbei meist um bekannte Aspekte. Indem neue Kombinationen und Zuordnungen der Assoziationen durch unterschiedliche Denkmuster gebildet werden, entwickeln die Teilnehmer neue Lösungsideen. Die gegenseitige geistige Anregung der Teilnehmer während einer Teamsitzung wird durch die folgenden Kreativitätstechniken gefördert. [Wack et al. 1993]

1.2.1.1    Brainstorming

Das Brainstorming ist die wohl bekannteste Kreativitätstechnik. Sie wurde in den 1950er Jahren in den USA von Alex Osborn entwickelt. Gekennzeichnet ist sie durch die wechselseitige freie Assoziation in einem meist interdisziplinär zusammengesetzten Team. Durch das Brainstorming wird ein intensiver Ideenfluss bei den Teilnehmern angeregt, wobei die schon genannten Vorschläge des Teams als Assoziationsgeber für weitere Ideen genutzt werden. [Scherer 2007]

Hierbei werden jedoch, ganz nach dem Motto Quantität geht vor Qualität, meist sehr viele Lösungsmöglichkeiten entwickelt, welche oft nur bei Problemstellungen helfen, bei welchen es sehr einfach ist, viele verschiedene Lösungsmöglichkeiten, ohne ein dafür nötiges Fachwissen, zu generieren. Unter Vermeidung von Kritik und vorzeitiger Bewertung während der Sitzung werden die Ideen weiterentwickelt. [Osborn 1957] [Zobel 2007]

Im Folgenden wird kurz auf einige Varianten des Brainstormings eingegangen, welche sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt haben.

1.2.1.1.1    Imaginäres Brainstorming

Das Imaginäre Brainstorming wurde von Arthur F. Keller vorgestellt und beruht auf dem klassischen Brainstorming. Kreativität, Phantasie und Originalität sind hierbei enorm wichtig. Indem die Teilnehmer ihre gewohnten Denkmuster verlassen und fiktive, unrealistische und verrückte Lösungsansätze für abgewandelte, imaginäre Probleme finden, können sie später das imaginäre Problem auf das ursprüngliche Problem übertragen und die gefundenen Lösungsansätze zur -suche nutzen. [Schlicksupp 1998] [Keller 1971]

1.2.1.1.2    Brainstorming Umkehrung

Die Brainstorming Umkehrung ist eine Abwandlung des imaginären Brainstormings. Hintergrund dieser Technik ist der Gedanke, dass eine Umkehrformulierung eines Sachverhaltes helfen kann, Denkblockaden und Vorurteile zu überwinden. Hierbei ist es leichter, für unsinnige Fragestellungen unsinnige Antworten zu generieren, als direkt Lösungen für reale Probleme zu finden. Bei dieser Technik werden für die invertierte Fragestellung Lösungen gesucht. Im Nachgang wird versucht, diese negierten Lösungen wieder auf das eigentliche Problem zu übertragen. Innovativere Lösungen können gefunden und Blockaden können aufgelöst werden. [Kellner 1999] [Rawlinson 1980] [Werner 1975]

1.2.1.1.3    Anonymes Brainstorming

Durch ein anonymes Brainstorming werden die Ideen der Teilnehmer anonym produziert und in einer anschließenden Teamsitzung durch einen Moderator vorgestellt und diskutiert. Dies führt dazu, dass sich auch ruhige und schüchterne Mitarbeiter am kreativen Prozess beteiligen und Ideen aus Angst vor Blamage nicht zurückhalten. Das anonyme Brainstorming kombiniert die Vorteile der Einzel- und Gruppenarbeit. [Schlicksupp 1977] [Simon 2007]

1.2.1.2    Brainwriting

Beim Brainwriting handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Brainstormings, bei der alle Einfälle schriftlich verfasst werden. Aufgrund der Verschriftlichung, kann der Lösungsvorschlag durch den Moderator nicht „verzerrt“ werden [Vahs 2005]. Auf verbale Kommunikation kann bei dieser Form weitgehend verzichtet werden. Eine Interaktion der Teilnehmer durch den Austausch ihrer Notizen bleibt jedoch bestehen [Bayerl 2010]. Im Laufe der Zeit haben verschiedene Blattformen sowie unterschiedliche Techniken des Austauschens die Brainwriting-Methoden so verändert, dass mittlerweile verschiedene Formen existieren. [Silverstein et al. 1965]

Die wichtigsten werden im Folgenden dargestellt.

1.2.1.2.1    6-3-5-Methode

Die bekannteste Form des Brainwritings ist die 6-3-5-Methode. Sie wurde 1969 von dem Unternehmensberater B. Rohrbach entwickelt. Die Aufgabe von sechs Personen besteht darin, drei Ideen innerhalb von fünf Minuten zu notieren. Nach dem Weiterreichen des Zettels im Uhrzeigersinn notiert die nächste Person drei weitere Ideen auf dem Blatt des Vorgängers [Bayerl 2010]. Vorhandene Lösungsansätze sollen dabei als Assoziationsgeber für weitere Ideen benutzt werden. [Blumenschein 2002] [Rohrbach 1969]

1.2.1.2.2    SIL-Methode

Die SIL-Methode steht für die Sukzessive Integration von Lösungselementen und wurde von H. Schlicksupp entwickelt. Nachdem die Teilnehmer in Einzelarbeit erste Ideen entwickelt haben, wird durch die Verknüpfung von unterschiedlichen Ideen eine herausragende Gesamtlösung produziert. [Schlicksupp 1977]

1.2.1.2.3    Collective Notebook

Eine leicht veränderte Methode des Brainwritings stellt die Collective Notebook-Methode dar. Hierbei sollen ausgewählte Teilnehmer mit Hilfe eines Notizbuches über einen gewissen Zeitraum hinweg im Alltag spontan notieren, was ihnen zu einem vorher definierten Problem einfällt [Backerra et al. 2002]. Auf diese Weise ist die Ideenfindung nicht an eine Teamsitzung gebunden, sondern kann jederzeit, auch im Alltag, erfolgen. Die Notizbücher werden zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem Projektteam oder Moderator eingesammelt, ausgewertet und zusammengefasst. Bei Bedarf können zusammengefasste Lösungsideen später erneut an die Teilnehmer ausgeteilt werden, um an den bisherigen Lösungen weiterzuarbeiten. [Clark 1973]

1.2.1.2.4    Delphi-Methode

Die Delphi-Methode ist eine mehrstufige Befragungsmethode von ausgewählten Experten, die mit Hilfe eines Fragebogens (offene und geschlossene Fragen), Prognosen zu zukünftigen Entwicklungen gewinnt [Lindemann 2005]. Die Experten werden per Email in aufeinanderfolgenden Befragungsrunden nach Meinungen, Ideen und Empfehlungen gefragt. Letztendlich soll über eine Annäherung der Expertenmeinungen eine gemeinsame Gruppenmeinung gebildet werden. Ebenfalls können Delphi-Befragungen zur Aggregation von Ideen eingesetzt werden und damit zur Erarbeitung von ersten Problemlösungsvorschlägen dienen. [Häder 2002] [Helmer 1967] [Kaufmann et al. 1972]

1.2.2     Prinzip der Zufallsanregung und Reizworttechnik

Um den kreativen Lösungsprozess anzuregen werden bei diesen Methoden zufällig ausgewählte oder zusammengesetzte Begriffe verwendet. Durch ein Zufallsprinzip ausgewählte Begriffe werden analysiert, assoziiert und kombiniert, wodurch neue Lösungsideen generiert werden. [Wack et al. 1993]

1.2.2.1    Reizwortanalyse

Die Reizwortanalyse gehört zu den Konfrontationstechniken und wurde von H. Geschka und G. Schaude am Battelle-Institut in Frankfurt entwickelt [Schröder 2005]. Indem zu zehn willkürlich ausgewählten Reizwörtern aus einem Lexikon jeweils Assoziationen notiert werden, werden Lösungsmöglichkeiten gefunden, welche für das Ausgangsproblem genutzt werden können. Das bewusst unterstützte laterale Denken ermöglicht einen Perspektivenwechsel und begünstigt innovative Lösungen. [Scherer 2007]

Eine andere Vorgehensweise beschreiben die Autoren Schlicksupp und Schröder. Sie überspringen die Phase der freien Assoziationen und analysieren und untersuchen die Reizwörter direkt im Team nach unterschiedlichen Elementen, wie Funktionen, Eigenschaften oder Strukturen. Im Anschluss daran wird eine Rückkopplung der gefundenen Aussagen zu der Problemstellung durchgeführt. Je flexibler und phantasievoller die Rückkopplung erfolgt, desto vielfältiger und kreativer können die Lösungsansätze sein. [Schlicksupp 1998] [Geschka H. 1980]

1.2.2.1.1    Force Fit-Spiel

Eine Variante der Reizwortanalyse stellt das Force Fit-Spiel dar. Auch hier wird eine Verfremdung des Problems mit Hilfe von Reizwörtern durchgeführt. Indem zwei Parteien unter Zeitdruck abwechselnd zu willkürlich genannten Reizwörtern Lösungsansätze nennen, welche zu dem bestehenden Problem passen, werden kreative Ideen produziert. Später können diese Lösungsansätze ausgewertet und analysiert werden. [Wack et al. 1993]

1.2.2.1.2    Lexikon-Methode

Ähnlich der Reizwortanalyse ist die Lexikon-Methode. Ein zufällig ausgewählter Lexikonartikel soll die Teilnehmer zu freien Assoziationen anregen, welche später auf das Anfangsproblem übertragen werden. [Mencke 2006] [Winkelhofer 2006]

1.2.2.2    Semantische Intuition

Eine weitere Methode, die ebenfalls Reizwörter zur Lösungsfindung einsetzt, ist die semantische Intuition, auch semantische Methode genannt. Durch spontane Assoziation werden zwanzig Begriffe paarweise, beliebig kombiniert, untereinander geschrieben [Winkelhofer 2006]. Diese Begriffe erzeugen bei jedem Teilnehmer bildhafte Vorstellungen, die zu neuen Lösungsideen für das Ausgangsproblem umgesetzt werden können. [Schröder 2005] [Schlicksupp 1998] [Wack et al. 1993]

1.2.3     Prinzip der systematischen Bedingungsvariation

Unter diesem Punkt sind alle Methoden zusammengefasst, die ein systematisches Vorgehen bei der Lösungssuche kennzeichnen. Es wird dabei entweder ein Aspekt im Feld der Problemsituation oder ein grundlegender Faktor der bisherigen Lösungssuche auf verschiedene Weise verändert. [Wack et al. 1993]

1.2.3.1    Checklisten

Eine Checkliste ist eine Auflistung von Fragen zu einem bestehenden Problem. Der Betrachter erhält eine innovative Lösung, indem er mit Hilfe dieser Fragen das Problemfeld erweitert und Analogien sowie neue Assoziationen zur Lösungssuche bildet. [Neumann 2003] [Backerra et al. 2002]

Besonders hilfreich ist es, Checklisten in Kombination mit gängigen Kreativitätstechniken einzusetzen, sie regen die Kreativität an und fördern intuitive Ideen [Lindemann 2005]. Auch wenn allgemeine Checklisten und Fragenkataloge in der Literatur nicht als Kreativitätstechniken bezeichnet werden, so dienen sie dennoch als Hilfestellung bei der Analyse von Problemen und unterstützen die systematische Vorgehensweise [Neumann 2003].

1.2.3.1.1    Osborn-Checkliste

Ausgehend davon, dass die meisten Teams ein vorhandenes Problem oft nur aus einem bestimmten Blickwinkel betrachten, entwickelte Alex Faickney Osborn eine Checkliste mit Fragen, die in neun unterschiedliche Kategorien eingeteilt sind. Während des chronologischen Abarbeitens der Fragen äußert sich jeder Teilnehmer zu jeder Frage in Bezug auf das Ausgangsproblem. [Mencke 2006] [Winkelhofer 2006] [Osborn 1957]

1.2.3.1.2    Clicking-Fragenkatalog

Eine weitere Checkliste ist der Clicking-Fragenkatalog, welcher anhand von mehr als 200 Fragen eine Sammlung von Denkstrategien zur Verfügung stellt. Mario Pricken bezeichnet seine Kreativitätstechnik selbst als „ …eine Werkzeugkiste, aus der man sich immer neue Brain Tools holen kann, um seine eigenen Denkstrategien systematisch zu erweitern.“ [Pricken 2001]

1.2.3.2    Morphologischer Kasten

Der Schweizer Astrophysiker Zwicky entwickelte die Methode Morphologischer Kasten. Hierbei wird mit Hilfe eines Ordnungsschemas ein Problem analysiert und strukturiert, indem es zunächst in seine einzelnen Funktionen oder Bestandteile gegliedert wird. Zu diesen einzelnen Teilen werden dann mögliche Lösungen gesucht. Die entwickelten Teillösungen werden später systematisch miteinander kombiniert, um eine umfangreiche Anzahl verschiedener Gesamtlösungen für die Problemstellung zu erhalten. Beim Morphologischen Kasten spielt das vertikale Denken eine große Rolle. Hierdurch wird eine Vielzahl an Alternativen produziert [Hauschildt 2004]. Auf der Grundlage einer schematischen Darstellung wird hierbei ganz systematisch an die Ideenfindung herangegangen [Nöllke 2006]. Es kann auch als „Totallösungssystem“ bezeichnet werden, welches alle möglichen Lösungen in einem Ordnungsschema enthält. [Zwicky 1971] [Marr 1973]

1.2.3.2.1    Morphologische Matrix

Die Morphologische Matrix ist dem Morphologischen Kasten sehr ähnlich. Sie ist auch unter „Morphologisches Tableau“, „Problemfeldanalyse“ oder „Erkenntnismatrix“ bekannt. Allerdings werden hierbei nur zwei wichtige Elemente des Problems und dessen Ausprägungen betrachtet. Es wird hierbei schrittweise eine Matrix erarbeitet, welche dem Problemlöser übersichtlich alle möglichen Ideen zu den jeweiligen Problemfeldern aufführt. [Schröder 2005] [Kaufmann et al. 1972]

1.2.3.2.2    Attribute Listing

Die Methode Attribute Listing, entwickelt von Robert C. Crawford, setzt direkt an dem bestehenden Produkt, Verfahren usw. an. Hierbei werden leicht veränderliche Merkmale untersucht. Durch die genaue Betrachtung und Analyse des Ist-Zustandes dieser Merkmale (Attribute) entstehen Anregungen für Verbesserungen. Indem die Attribute kombiniert und systematisch variiert werden, entstehen neue Lösungsmöglichkeiten. [Albers et al. 2005] [Tiemeyer 1997] [VanGundy 1988]

1.2.3.3    Progressive Abstraktion

Die Methode der Progressiven Abstraktion wurde von Horst Geschka entwickelt. Diese soll die grundlegenden Ursachen eines Problems herausarbeiten. Die Frage  „Worum geht es eigentlich?“ spielt dabei eine große Rolle. Um systematisch zum Kern der Problemstellung vorzudringen, wird das Problem in Teilprobleme aufgesplittet. Durch die daraus entstehende Entfernung zum Ausgangsproblem sind neue Lösungsideen möglich. [Backerra et al. 2002] [Geschka H. 1980]

1.2.3.4    TILMAG-Methode

TILMAG bedeutet "Transformation idealer Lösungselemente in Matrizen zur Bildung von Assoziationen und Suche von Gemeinsamkeiten". Es werden ideale Lösungselemente gebildet und in einer Assoziationsmatrix zusammengefasst. Durch Kombination entstehen neue Lösungsideen, welche wiederum in einer Gemeinsamkeitsmatrix zusammengefasst werden. Die Ideen werden vom Team so lange weiterentwickelt, bis sich eine optimale Lösung ergibt. [Schröder 2005] [Schlicksupp 1977]

1.2.3.5    De Bonos Denkhüte

Der Kreativitätsforscher Edward De Bono entwickelte die Methode der sechs Denkhüte. Die Ideensucher betrachten mit Hilfe dieser Methode das Ausgangsproblem aus verschiedenen Sichtweisen [Gillies 2003]. Die Hüte symbolisieren hierbei die unterschiedlichen Denkweisen, welche durch das bildliche Aufsetzen des Hutes nacheinander eingenommen werden.

Die Arbeit unter dem weißen Hut ist neutral. Es werden Zahlen, Daten, Fakten und weitere bekannte Informationen gesammelt. Es wird keine Meinung gebildet und nichts bewertet.

Der rote Hut steht für Gefühle und Intuition. Diese sollen frei geäußert werden.

Unter dem schwarzen Hut müssen Aussagen, Probleme, Fehler und kritische Denkweisen benannt und diese logisch begründet werden. Der schwarze Hut bildet den Gegenpol zum roten Hut.

Der gelbe Hut zeigt ausschließlich positive Sichtweisen und Vorteile auf. Dieser repräsentiert die schwierigste Denkweise. Es sollen nur Vorteile, Nutzen und Werte der Idee gesucht und begründet werden.

Unter dem grünen Hut sollen kreative Lösungsvorschläge entwickelt und Innovationen gefunden werden. Eine Begründung der getroffenen Aussagen ist in dieser Phase nicht notwendig.

Der blaue Hut hat die objektive, übergeordnete Sichtweise, die Orientierung während der Diskussionsrunde bietet. Unter ihm werden Entscheidungen getroffen und es wird über das weitere Vorgehen nachgedacht.

Die Methode der sechs Denkhüte anzuwenden, ist auf unterschiedliche Weise möglich. Es können sowohl nur ein Hut als auch alle Farben in einer vorher festgelegten Reihenfolge in einer Teamsitzung verwendet werden. Auch die Verwendung der Hüte während einer Einzelarbeit ist möglich. [Novak 2001] [Scherer 2007] [De Bono 1989] [De Bono 1990]

1.2.3.6    Walt Disney-Methode

Diese Methode geht auf Walt Disney zurück und wurde später durch Robert Dilts unter dem Namen "Disneys Denkstühle“ oder „Walt Disney-Strategie“ bekannt. Ähnlich wie De Bono arbeitet er mit verschiedenen Denkweisen und Perspektivenwechsel [Nöllke 2006]. Walt Disney richtete sich unter den Sichtweisen Träumer, Realist und Kritiker drei Räume ein, in welchen er das Ambiente passend dazu gestaltete [Blumenschein 2002]. Durch den Wechsel der Räume und die dadurch entwickelten unterschiedlichen Grundhaltungen, Emotionen und Perspektiven werden unterschiedlichste, neue Ideen und Lösungen entwickelt. [Dilts et al. 1994]

1.2.3.7    Mind Map

1970 entwickelte Tony Buzan das Mind Map. Er orientierte sich dabei an der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns. Das Mind Map unterstützt zum einen die Strukturierung und Visualisierung von Problemstellungen, fördert jedoch gleichzeitig auch ein sprunghaftes und spontanes Denken. Durch ein Mind Map wird das Problem schriftlich/bildlich [Mencke 2006] in unterschiedliche Elemente untergliedert und durch verschiedene Abstraktionsebenen visualisiert. [Backerra et al. 2002] [Lindemann 2005] [Buzan 1997]

1.2.3.8    TRIZ

Der Wissenschaftler Genrich Altschuller legte 1948 die Grundlage für die TRIZ-Methode. TRIZ ist ein russisches Akronym und bedeutet „Theorie des erfinderischen Problemlösens“. Altschuller erkannte anhand einer Analyse von 2,5 Millionen Patentanmeldungen drei wesentliche Gesetzmäßigkeiten bei besonders bedeutenden Erfindungen  [Mencke 2006].

  • Einer großen Anzahl von Erfindungen liegt eine vergleichsweise kleine Anzahl von allgemeinen Lösungsprinzipien zugrunde.
  • Erst das Überwinden von Widersprüchen macht innovative Entwicklungen möglich.
  • Die Evolution technischer Systeme folgt bestimmten Mustern und Gesetzen.

Diese Erkenntnisse verwendete Altschuller dafür, um unterschiedliche TRIZ-Werkzeuge zu entwickeln. Durch den vielfältigen Werkzeugkasten der TRIZ-Methode wird somit die Ideenfindung, die als Keimzelle von Innovationen gilt, besonders unterstützt. Durch die Nutzung, insbesondere im Innovationsmanagement, verläuft die Suche nach neuen Problemlösungen systematischer, effizienter und viel schneller. [Schweizer 2005] [Walter 2005]    

Weiterhin stellte Altschuller fest, dass der Widerspruch als zentrales Element einer innovativen Erfindung gilt. Er stellt einen wesentlichen Schritt bei der Analyse von Problemstrukturen dar, indem er hilft, Probleme zu identifizieren und zu beschreiben. Besonders im technischen Bereich bietet TRIZ viele hilfreiche Vorgehensweisen und Methoden, um Lösungen von Problemen zu finden [Mencke 2006]. Die 40 Innovationsprinzipien, auch als Erfindungsverfahren bezeichnet, unterstützen bei der Überwindung von technischen Widersprüchen. Hierbei wird beispielsweise mit Prinzip Nummer 1: „Verfahren der Zerlegung“ geprüft, ob eine mögliche Lösung erkennbar wird. [Walter 2005] [Altschuller 1986]

1.2.3.9    Systematic Inventive Thinking

Systematic Inventive Thinking (SIT), von Jacob Goldenberg, ist an die Methode des TRIZ angelehnt. Es besteht allerdings nur aus fünf Grundmustern. Diese reduzierte Datenmenge führt zu einer leichteren Anwendbarkeit. Nachfolgend werden diese fünf Muster kurz erläutert. [Obermeier 2005] [Goldenberg et al. 2003]

Division

Häufig führt die Division zu einem neuen Nutzen des Produktes, bzw. es werden neue Möglichkeiten der Vermarktung deutlich. Hierbei werden die einzelnen Komponenten eines Produktes nach den Funktionen zu einer Gruppe zusammengefasst, beispielsweise bei der individuellen Zusammenstellung durch Boxen, Tuner u.ä. einer Hi-Fi Anlage.

Subtraction

Die Subtraction wird am häufigsten von allen Denkwerkzeugen angewendet. Hierbei werden Komponenten eines bestehenden Produktes einfach entfernt, beispielsweise bei der Entwicklung des alkoholfreien Bieres. Oft zeichnen sich erst nach einiger Zeit Märkte und Zielgruppen für das neu entstandene Produkt ab.

Multiplication

Die Multiplication dupliziert bereits vorhandene geeignete Komponenten eines Produktes so, dass das bestehende Produkt qualitativ besser wird, beispielsweise die Klinge eines Rasierers zu einem Mehrklingen-Rasierer.

Task Unification

Das Grundmuster Task Unification verbindet einzelne Komponenten eines bestehenden Produktes miteinander. Hierbei wird überlegt, welche Komponenten eingespart werden können, wenn andere deren Aufgabe übernehmen. Beispielsweise dient bei einigen Autos der Heizdraht auch als Antenne.

Attribute Dependency

Hierbei wird ein bestehendes Verhältnis neu definiert, beispielsweise das Verhältnis von Essensmenge zum Preis bei „All you can eat“-Angeboten. [Obermeier 2005]

1.2.4     Prinzip der Bildhaftigkeit und der Analogie

In den folgenden Methoden werden bildhafte Vorstellungen oder Analogien zur Anregung neuer Lösungsansätze genutzt. Indem das Problem aus neuen Blickwinkeln betrachtet wird oder Analogien dazu gebildet werden, können neue Lösungsideen entstehen. [Wack 1998] [Daenzer 2002]

In Abbildung 40 ist das Prinzip der Analogiebildung dargestellt.

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Abbildung 40: Analogiebildung in Anlehnung an [Daenzer 2002]

1.2.4.1    Synektik

Diese Methode, bestehend aus vier Phasen, wurde von dem Amerikaner W.J.J. Gordon entwickelt. Er versucht durch stufenweise Analogiebildung die Intensität der Lösungssuche für eine Problemstellung zu steigern [Daenzer 2002]. Um den Verfremdungsprozess zu unterstützen, werden Analogien aus verschiedensten Bereichen verwendet. Die Synektik versucht die Distanz zum Ursprungsproblem zu vergrößern, um die vertikale Denkweise zu verlassen. [Gordon 1961]

Die Phasen gliedern sich wie folgt.

Vorbereitungsphase

In dieser erfolgen eine genaue Analyse des Problems und die Klärung von Verständnisfragen von Teammitgliedern.

Inkubationsphase

In dieser Phase liegt der Schwerpunkt auf räumlicher und zeitlicher Distanz zu dem Problem. Das Team entfernt sich durch eine Stufenfolge von verschiedenen Analogiebildungen immer weiter von dem Ausgangsproblem. Folgende Analogiefolgen können verwendet werden.

  • Direkte Analogie

Hierbei werden direkte Analogien und vergleichbare Probleme dieser Analogien zum Ausgangsproblem gesucht. Die Analogien können aus Natur, Technik oder anderen Wirklichkeitsbereichen sein. Vergleichbare Probleme oder Strukturen (Elemente, Prozesse) im Zusammenhang mit diesem problemfremden Bereich ermöglichen neue Lösungsideen.

  • Persönliche Analogie

Indem sich die Teilnehmer mit Hilfe der Frage „Wie fühle ich mich als...?“ mit dem Objekt identifizieren, werden die direkten Analogien durch die Bildung persönlicher Analogien noch weiter verfremdet.

  • Symbolische Analogie

Hier werden Kontradiktionen, beispielsweise „flüsterndes Geschrei“ gebildet. Nach Möglichkeit sollten hierbei nur widersprüchliche Adjektive und Substantive genutzt werden. Zu den persönlichen Analogien werden so weitere symbolische Analogien gebildet.

  • Direkte Analogie

Indem die symbolische Analogie durch die zweite direkte Analogie mit einem anderen Wirklichkeitsbereich verknüpft wird, wird der Verfremdungsprozess abgeschlossen. Dies können Bereiche aus Technik, Natur, Geschichte, Politik, Wirtschaft usw. sein.

Illumination

Es werden nun die Analogien der letzten Stufe nach ausgiebiger Analyse von markanten Strukturmerkmalen auf das Ursprungsproblem zurückgeführt. In Form von Force Fit (= erzwungene Eignung) werden die Merkmale mit gewisser Gewalt auf das Ursprungsproblem übertragen. So werden spontane Lösungsideen sichtbar.

Verifikationsphase

In diesem letzten Schritt werden die entstandenen Lösungsansätze auf ihre Brauchbarkeit geprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt. [Hauschildt 2004]  [Werner 1975] [Marr 1973] [Adams 1984]

1.2.4.2    Visuelle Synektik

In der Literatur wird die visuelle Synektik auch als visuelle Konfrontation bezeichnet. Sie ist eine Abwandlung der klassischen Synektik. Hierbei wird durch visuelle Reizobjekte wie Bilder, Fotos, Zeichnungen usw. eine Entfernung zum Problem hergestellt. Neue Assoziationen werden auf das Ausgangsproblem übertragen und tragen zu innovativen Lösungsideen bei. [Winkelhofer 2006] [Schlicksupp 1977] [VanGundy 1988]

1.2.4.3    Bisoziation

Hauptmerkmal der Bisoziation, welche von Arthur Köstler geprägt wurde, ist das Zusammenbringen von zwei zueinander völlig fremden „Denk-Dimensionen“  [Nöllke 2006]. Nach einer ausführlichen Problemdefinition erfolgt die Suche nach der zweiten „Denk-Dimension“. Diese soll zur Lösung des Problems beitragen. Hierbei kann mit Fragen nach Ähnlichkeiten oder der Suche nach anderen Bereichen begonnen werden, beispielsweise: „Was ist ähnlich wie das, was erreicht werden soll?“, „In welchem Bereich funktioniert das, was hier nicht klappt?“. Dabei können in problemfremden Bereichen, wie auch in naheliegenden Bereichen, Anregungen für neue und innovative Ideen gefunden werden. Nachfolgend wird nach Analogien, gemeinsamen Prinzipien oder Strukturen gesucht, die sich auf das Ausgangsproblem übertragen lassen. [Nöllke 2006] [Koestler 1966a] [Koestler 1966b]

Eine Erweiterung der Bisoziation wird von Wack beschrieben. Er unterstützt den Prozess durch willkürlich ausgesuchte Bilder. Diese fördern veränderte Denkmuster und Anregungen entstehen. Neue Gesetzmäßigkeiten, Strukturen und Besonderheiten eines Bildes werden versucht, auf das Ursprungsproblem zu übertragen, um so neue, kreative Lösungsvorschläge zu finden. [Wack 1998]

1.2.4.4    Bionik

1960 wurde der Begriff Bionik erstmals von J. Steele geprägt. Bionik ist eine Kombination von Biologie und Technik.

Die Methode Bionik ist mit den vorher beschriebenen Kreativitätstechniken nicht gleichzustellen. Bionik ist eine wissenschaftliche Disziplin, welche für technische Entwicklungen Ideen aus der Natur nutzt. Zum Beispiel wird der Eisbär häufig als Inspiration für neue technische Entwicklungen genutzt. Neben einer Kopie der rutschfesten Sohlen seiner Tatzen, welche die Entwickler bereits für die Herstellung des Profils von Winterreifen nutzen, wird auch die Struktur seines Fells für neuste Erfindungen der solartechnischen Energiegewinnung kopiert [Spilok 2006]. Biologische Systeme reproduzieren, regulieren und optimieren sich selbst [Hill 1999]. Ihnen liegt das Prinzip der Selbstorganisation zugrunde. In diesem Hinblick bietet die Natur noch weitere zahlreiche Konstruktionen und Prozesse, die als Vorbilder für technologische Spitzenleistungen herangezogen werden können [Nachtigall 2000]. Biologische Systeme sorgen für Funktionszuverlässigkeit und Systemstabilität, nutzen jedoch nur ein Minimum an Energie und Material und erreichen dennoch ein Maximum ihrer Lebensfunktionen [Cerman et al. 2005]. Da sich die biologischen Systeme über Jahrmillionen entwickeln und optimieren konnten, sind sie sehr leistungsfähig. Sie bieten aus diesem Grund eine breite Anzahl von Lösungsansätzen. [Von Gleich 1998] [Rechenberg 1994] [Marguerre 1991]

1.3     Welche Kreativitätstechnik kann ich wann in der Wertanalyse anwenden?

In der Praxis stellt sich häufig die Frage, welche Kreativitätstechnik verwendet werden soll. Die Auswahl der besten Methode ist im Wesentlichen von zwei Kriterien, den Merkmalen des Problems und den Rahmenbedingungen, abhängig. [Schlicksupp 1998] In Tabelle 15 werden die einzelnen Kreativitätstechniken anhand der nachfolgend beschriebenen Merkmale gegenübergestellt.

1.3.1     Problemmerkmale

Komplexe Probleme

Bei der Suche nach der geeigneten Methode spielen die Komplexität des Problems und der vorliegende Problemtyp eine wichtige Rolle  [Schlicksupp 1998]. Häufig lassen sich die Probleme in einfache und komplexe Probleme einteilen. Einfache Probleme lassen sich meist mit intuitiv-kreativen Methoden lösen [Schlicksupp 1998]. komplexe Probleme hingegen eher mit analytisch-systematischen Methoden. Durch die systematische Entwicklung werden hierbei neue Ideen generiert. Häufig werden auch aus Kombinationen von Teillösungen neue Lösungswege gefunden. [Schröder 2005]

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Tabelle 15: Einordnung der Kreativitätstechniken

Eine weitere Möglichkeit ist es, die Probleme nach ihrer gedanklichen Anforderungsqualität einzuteilen. Hierbei gibt es fünf Problemtypen.

Suchprobleme

Suchprobleme zeichnen sich dadurch aus, dass zur Problemlösung bereits bekannte Lösungen verwendet werden können. Die Schwierigkeit hierbei ist, die bereits bekannte Lösung zu finden. Beim Suchprozess können verschiedene Suchkriterien helfen. 

Analyseprobleme

Bei Analyseproblemen ist markant, dass zur Lösung des Problems eine vollständige und korrekte Analyse der Problemstruktur nötig ist [Schröder 2005]. Erst danach werden die Zusammenhänge der Strukturelemente geklärt und es können Lösungen gefunden werden [Mencke 2006].

Konstellationsprobleme

Für Konstellationsprobleme ist typisch, dass diese eine komplexe Struktur besitzen. Sie müssen zuerst in Teilprobleme gegliedert werden. Eine Kombination der gefundenen Teillösungen ergibt letztendlich eine Gesamtlösung für das Problem.  [Schröder 2005]

Auswahlprobleme

Der Schwerpunkt bei Auswahlproblemen liegt in der Kombination der unterschiedlichen Ausprägungen. Häufig schließen sich mehrere unterschiedliche Teilausprägungen gegenseitig aus.

Konsequenzprobleme

Bei Konsequenzproblemen werden bekannte Gesetzmäßigkeiten befolgt und auf diese Weise wird eine Lösung erzielt.

Es wird bei diesen fünf Problemtypen von zwei Kategorien gesprochen, die eine stellt die gut strukturierten Probleme dar, die andere die schlecht strukturierten Probleme. Zur Kategorie der gut strukturierten Probleme zählen die Auswahl- und Konsequenzprobleme. Diese können auf logische und systematische Weise sicher durch Algorithmen gelöst werden. Kreativitätstechniken sind hierfür weniger geeignet oder werden nicht benötigt [Backerra et al. 2002]. Meist gibt es bei diesen Problemen lediglich eine optimale, nachweisbare Lösung [Mencke 2006]. Aus diesem Grund werden die Kriterien Auswahlprobleme und Konsequenzprobleme in der Tabelle 15 nicht weiter betrachtet.

Kreativitätstechniken sind jedoch bei der ungerichteten und intuitiven Vorgehensweise der Lösungssuche für schlecht strukturierte Probleme von großer Bedeutung [Schlicksupp 1998]. Schlecht strukturierte Probleme weisen oft eine große Anzahl an möglichen Lösungen auf. Mit Hilfe von Kreativitätstechniken werden originelle und kreative Ideen entwickelt und letztendlich die optimale Lösung gewählt. [Mencke 2006]

1.3.2     Rahmenbedingungen der Problemlösungssituation

Einen weiteren wichtigen Aspekt stellen die unterschiedlichen Rahmenbedingungen dar, die eine Problemlösungssituation mit sich bringt. Die richtige Methode kann erst dann gewählt werden, wenn bekannt ist, unter welchen Bedingungen das Problem gelöst werden soll. [Schlicksupp 1998]

Eine wichtige Rolle spielen dabei sowohl die Zeit als auch das Team.

Zeit

Einige Techniken benötigen einen höheren Zeitaufwand als andere.

Team

Da Kreativitätstechniken häufig im Team durchgeführt werden, sollten die gewählten Methoden entsprechend auf das vorhandene Team und dessen Rahmenbedingungen abgestimmt sein.

Anforderung/Übung

Grundsätzlich gibt es einige Kreativitätsmethoden, welche ohne jegliche Vorkenntnisse der Teilnehmer direkt angewendet werden können. Andere Methoden jedoch sind recht anspruchsvoll und es wird empfohlen, diese vor Durchführung mit dem Team zu trainieren.

Gleichmäßige Beteiligung und Vermeidung von Hierarchien

Ein weiterer Problemfaktor bei Kreativsitzungen können interne Probleme im Team sein. Diese entstehen, wenn Teilnehmer mit unterschiedlicher Stellung im Unternehmen oder aber auch mit unterschiedlicher Muttersprache zusammenarbeiten. Ebenso schwierig ist es, wenn ein Team sehr heterogen zusammengesetzt ist, so dass sehr schüchterne Mitarbeiter auf sehr dominante treffen. Hierauf kann ebenfalls mit der Wahl von speziellen Kreativitätsmethoden reagiert werden.

Anonyme Äußerungen möglich

Bei sehr schwerwiegenden Problemen dieser Art kann es sinnvoll sein, auf Kreativitätstechniken zurückzugreifen, welche es ermöglichen, dass die Ideen anonym genannt werden können.

Moderation nötig

Um das Team zu koordinieren und zu moderieren ist ein außenstehender Moderator nicht immer zwingend erforderlich, aber dennoch häufig angebracht. Bei einigen Kreativitätstechniken kann hierauf verzichtet werden.

Ortsunabhängig

Einige Methoden ermöglichen es, dass die Teilnehmer der Kreativsitzung nicht oder zumindest zeitweise nicht an einem Ort versammelt sein müssen.

1.3.3     Ergebnis

Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der Kreativitätstechnik ist das durch die Kreativitätstechnik erzeugte Ergebnis. Je nachdem welche Art des Denkprozesses angesprochen wird, unterscheiden sich die Ergebnisse nach der Anzahl und der Ideengüte.

Großes Ideenspektrum

Das Ergebnis der Kreativitätstechniken, welche zu dieser Kategorie gehören, ist meist eine Vielzahl an Lösungen. Diese können sowohl neu als auch revolutionär sein, häufig aber auch nicht durchführbar oder außerhalb der Aufgabe liegen. Markant bei diesen Techniken ist, dass durch die Vielzahl der Lösungen nur eine geringe Qualität der Ideen möglich ist. Diese müssen in einem nächsten Schritt weiterentwickelt werden.

Hohe Güte der Ideen

Durch intensives Beschäftigen mit der Problemstellung werden bei den Kreativitätstechniken dieser Kategorie eher weniger, jedoch qualitativ hochwertigere Lösungen generiert.

Innovation

Nicht jede Kreativitätstechnik ist geeignet, wirklich Neues zu schaffen. Je nachdem welche Denkart die jeweilige Methode anregt und wie intensiv, kann sich der Neuigkeitsgrad der Idee stark unterscheiden. Kreativitätstechniken, welche für wirkliche Innnovationen geeignet sind, sind unter diesem Kriterium aufgeführt.

1.3.4     Anwendungsbereiche

Einzelarbeit

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal sind die Anwendungsbereiche. Generell können alle Kreativitätstechniken bei Teamarbeit angewendet werden. Die Techniken aus dieser Kategorie können neben der Teamarbeit ebenso in Einzelarbeit angewendet werden.

1.4     Zusammenfassung Kreativität in der Wertanalyse

Mit dem Wissen, welche Problemmerkmale und Rahmenbedingungen in einem konkreten Projekt vorliegen, kann unter Verwendung der Tabelle 15 abgeschätzt werden, welche Kreativitätstechnik am sinnvollsten eingesetzt werden soll. Die Kurzbeschreibung der Kreativitätstechniken bietet einen ersten Überblick über die Vorgehensweise. Durch die angegebene Literatur ist ein vertiefendes Studium der zielführenden Techniken einfach möglich. Somit ist gewährleistet, dass der interessierte Anwender die Möglichkeit hat, jenseits der ihm bekannten Kreativitätstechniken weitere zielführende Techniken einfach zu identifizieren und anzuwenden.

 

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Für Nachdruck und weitere Verwendung (auch auszugsweise) ist die schriftliche Genehmigung von Value Coaching Marchthaler einzuholen. 

Quelle:

MARCHTHALER, J.: Wertanalyse, Value Management, Wertorientierte Unternehmensführung: Entwicklungen und Methoden. Verlag Methodisches Wissen 2016.

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